"Z’vieri"-Happen und Währschaftes

Schweizer Küche

Die Abgeschiedenheit vieler Bergtäler hat in der Schweiz eine Küche mit vielen regionalen Unterschieden entstehen lassen. Die einfachen Gerichte sind von bäuerlichen Traditionen geprägt - und von den Nachbarn: Eine eigenständig rätoromanische Küche dominiert die Mittelschweiz, im Süden hat Italien seinen Kochlöffel im Spiel und im Westen Frankreich. In der Nord- und Ostschweiz ist der Einfluss der deutschen Küche unverkennbar und im Osten schmeckt so einiges nach Österreich. Da sich der größte Teil der Schweizer Agrarfläche nur für die Tierhaltung eignet, gehören Milchprodukte und Fleisch zu den Grundprodukten für viele Gerichte.

„Z’vieri“-Rast im Tessin
Viele Tessiner Speisen haben ihre Wurzeln in der Lombardei - und Risotti und Paste sind mittlerweile fixer Bestandteil der Küche des Tessin. Besonders das risotto al porcini, das Pilzrisotto, hat die Herzen der Schweizer Feinschmecker erobert.
Ist der Hunger viel zu groß, um auf das Abendessen zu warten, verspricht ein „Z’vieri“-Happen (Nachmittagsjause) in einem Grotto Linderung. Die idyllischen Torkel, kleine Weinkeller und -gärten, sind ein uriger Bestandteil des Tessin: rustikale Lokale aus Stein, meist mit einem hübschen kleinen Gastgarten, in denen einfache Gerichte serviert werden. Die Zutaten stammen vor allem aus eigener Produktion: regionale Wurst, Käse und Nostrano, ein Hauswein. Ursprünglich dienten die sich an die Hänge schmiegenden Steinbauten als kühle Keller, bei denen man sich wochenends mit Freunden zu einer Jause und einem Glas Wein getroffen hat; nach und nach entstanden daraus die beliebten Gastwirtschaften.

Das pulsierende Leben an den Seen wird in die Täler hinein immer ruhiger. Im Tal der Maggia (Vallemaggia) sieht man nur noch vereinzelt Ziegen und die Weingärten weichen einigen Rebstöcken, die gleich neben den Steinhäusern wachsen. Die Cucina povera, die „arme Küche“ aus Buchweizen, Gerste, Hirse und Milchprodukten beherrscht hier den Speiseplan. Die formaggiaio, die Käser, stellen den herzhaften Valmaggio aus zwei Dritteln Kuh- und einem Drittel Ziegenmilch her und der Formaggini (Frischkäse aus Kuh- oder Ziegenmilch) wird einige Tage in Öl und Kräutern eingelegt.

Währschaftes in Graubünden
Mächtige Berge, zahlreiche Täler, aber auch schon mediterranes Klima kennzeichnen den südöstlichsten Kanton der Schweiz. In der Küche Graubündens sind Einflüsse aus Österreich und dem Balkan nicht zu leugnen; die Gerichte wurden von den Bergbauern allerdings abgewandelt und auf ihr ganz spezielles Nahrungsmittelangebot abgestimmt.
Durch die Abgeschiedenheit und die langen Winter kommt der Vorratshaltung eine große Bedeutung zu. Das berühmteste Beispiel dafür ist das leuchtend-rote Bündner Fleisch. Dafür werden die besten Teile des Rindfleischs mit Salz, Pfeffer, Gewürznelken und einer Kräutermischung eingerieben. Etwa fünf Wochen lagert das Fleisch und wird immer wieder mit der entstehenden Salzlake übergossen, danach wird es getrocknet. Am besten eignet sich dafür die trockene, reine Gebirgsluft. Aber auch die Bündner Temperaturunterschiede und Winde tragen bei zur besonderen Qualität dieser Spezialität.

Viel Mehl und Gemüse wird unten in den Tälern verwendet. Dem Spätzleteig für die Capuns werden klein gehacktes Trockenfleisch und Kräuter beigemengt. In Mangoldblätter gewickelt wird diese Mischung gekocht und mit Gruyère bestreut serviert.

Besondere Pizzocheri/Pizokels gibt es im Puschlav. Für den Teig werden Buchweizen- und Weizenmehl gemischt und mit Eiern, Milch und Salz zu einem Teig vermengt. Der so entstandene Nudelteig wird ausgetrieben, in Stücke geschnitten, gekocht und schließlich mit geriebenem Käse, Gemüse oder Fleisch gemischt. Ein Liebling der Graubündner sind die Birnenpizzocheri.

Erdäpfel sind fast alleiniger Bestandteil der Maluns. Die am besten schon einen Tag vorher gekochten, geriebenen Erdäpfel werden in Schmalz angeröstet, mit Käse und Apfelmus serviert oder zum Frühstückskaffee, dem Kafi, gereicht.

Gegen Süden, z. B. im Misox, wird viel Polenta zubereitet; als Hauptgericht zusammen mit Käse und Speck oder als Beilage. Der Mais, das Türkenkorn, wird auch für Suppen, Kuchen, Torten, Brot und Knödel verwendet.

Etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt die Zubereitung der Bündner Gerstensuppe, eine währschafte (bewährte und deftige) Suppe aus Gerste, Karotten, Lauch, Sellerie, Kalbsfüßen, Schweinsripperln und Obers. Etwa zwei Stunden köchelt sie vor sich hin, bis sich der Deckel endgültig heben darf.

Den süßen Abschluss bildet die Engadiner Nusstorte. Die Mürbteighülle wird gefüllt mit Walnüssen und karamellisiertem Zucker.

Gnagi und Rösti in Bern und in der Mittelschweiz
Endlich wieder Herbst! Mit dem Verfärben der Blätter beginnt die Metzgete, das Schlachtfest. Aber eigentlich ist jedes Monat recht für die Berner Platte, eine reichhaltige Schlachtplatte: Wädli (Schweinshaxe), Blutwurst, Leberwurst, Bure-Bratwürschtli, Rippli, Berner Zungenwurst, Schüfeli (Schweinsschulter), gekochter Speck und Surchrut locken zufriedene Seufzer bei Fleischliebhabern hervor. Der Kanton Bern ist schließlich berühmt für seine Schweinezucht.

Deftig liebt man es auch im Mittelland, hier wird Gnagi, ein zarter Schweinsfuß zubereitet. In Genf werden sie bevorzugt als pied de porc au Madère, mit Madeirasauce, angerichtet, Gnagi ist aber die Bezeichnung für alle eher unedlen Teile des Schweins: Züngli, Öhrli, Schnörrli, Wädli; alles an dem man eben nagen kann.

Die Berner Rösti nehmen es an Beliebtheit mit jeder Fleischspeise auf: Geraffelte Erdäpfel werden in Öl oder mit Speckwürfeln knusprig gebraten. Als Frühstück, Hauptmahlzeit oder Beilage kann die goldgelbe Spezialität jeden kulinarischen Platz einnehmen.

Ein Muss beim Besuch des Berner Zibelemärit (Zwiebelmarkt) ist der warme, herzhafte Zibelechueche. Und wem anschließend nach Süßem gelüstet, der ist den Schokoladenstadt Bern ohnehin genau richtig.

Schmackhafte Cholera im Wallis
Inmitten von Viertausendern bildet das ausladende Rhône-Tal eine mediterrane Nische. Hervorragende Trauben reifen an den Hängen und werden zu ausgezeichneten Weinen verarbeitet. Die höchsten Weingärten Europas liegen in Visperterminen und erstrecken sich bis auf 1100 Meter Seehöhe.
In Mund überraschen die roten Safranfelder. Es heißt, ein Söldner aus Mund habe den Safran in eine Perücke geflochten im 14. Jahrhundert aus Spanien mitgebracht. Viele geben dem edlen Gewürz aus der Region den Vorzug gegenüber spanischem; und das Safranrisotto in Mund leistet großartige Überzeugungsarbeit.

Keine Angst muss man im Wallis vor der Cholera haben. Warum die Torte aus Erdäpfeln, Lauch, Äpfeln und Käse - mit Gomser Wurzeln - so einen Furcht erregenden Namen trägt? Das bleibt ein kulinarisches Walliser Rätsel.

Eine zweite pikante Torte stammt aus dem Wallis, die Tarte Savièsanne. Gefüllt wird dieser Blätterteigkuchen mit Erdäpfeln, Lauch, Speck und Käse.
Und noch einmal Lauch: Gemeinsam mit Sellerie, Rüben und Zwiebeln kommt er in den Topf für die Walliser Gemüsesuppe.

Für ein Raclette (racler = schaben), eine besondere Walliser Spezialität, wird ein halbierter Gomser Käse an der Schnittfläche erhitzt und die geschmolzene Oberfläche nach und nach abgeschabt und mit Erdäpfeln gegessen. Eine rustikale Anleitung dafür lässt sich in Heidis Lehr- und Wanderjahren nachlesen.

Alles Käse im Jura und Neuenburg/Neuchâtel

Die schroffen Hänge des Jura und die vielen Steine lassen wenig Anbaufläche für die Bauern übrig. Die imposante Bergkette des Jura beeinflusst auch die Küche der Region.
Der Vacherin Mont d’Or wird im Winter produziert, wenn die Küche zu wenig Milch für die großen Gruyère-Kaiselaibe geben. Drei Wochen lang reift der Käse in einem Gürtel aus Fichtenrinde bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit und muss täglich mit Wasser abgerieben und gewendet werden. Die enorme Handarbeit lohnt, denn der weiche Käse ist eine kulinarische Offenbarung, die sich am besten erwärmt und mit Kräutern versetzt genießen lässt.

Auch der Tête de Moine (Mönchskopf) stammt aus dem Jura. Mit der Girolle, einer Kurbel, werden feine Rosetten vom entrindeten „Käsekopf“ heruntergeschabt.
Erst zu den Seen hin wird die Umgebung sanfter und Seen und ockerfarbene Sandsteine prägen die Region Neuenburg/Neuchâtel. Im Herbst kommt man bei der traditionellen „Torrée neuchâteloise“ zusammen, um die letzten warmen Tage und die auf glühenden Kohlen gegrillten Neuenburger Würstchen zu genießen.

Wer hat’s erfunden? Die Schweizer natürlich. Genauer gesagt, die Westschweizer. Unter allen Varianten ist das Neuenburger Fondue das bekannteste. Der caquelon, ein eingriffiges Tongeschirr, wird mit einer Knoblauchzehe ausgerieben. Darin wird der gewürfelte Käse mit Weißwein geschmolzen und mit Kirschwasser und Gewürzen abgeschmeckt. Auf einer Fonduegabel werden Weißbrotstücke in das Fondue getunkt. Wer ein Stück verliert, darf die Brieftasche zücken - für die nächste Flasche Weißwein. Verwendet werden vor allem Gruyère, Emmentaler, Tilsiter, Appenzeller, Vacherin oder Sbrinz. Damit der Käse nicht gar arg im Bauch liegt, empfiehlt sich ein Stamperl Kirsch als Abschluss des Mahls.

Spießli und Müesli im Kanton Zürich
Ein kulinarisches Zürcher Aushängeschild ist das Züri Gschnätzlet: Kalbfleisch wird in dünne Scheiben geschnitten und mit etwas Maizena vor dem Austrocknen geschützt. Heiß angebraten wird es anschließend zusammen mit Kalbsnieren in einer Rahmsauce gekocht. Am besten, Sie setzen sich in eines der mittelalterlichen Zunfthäuser, um diese Zürcher Spezialität zu genießen!

Für die Züricher Leberspießli werden Kalbsleberstücke mit dünn geschnittenem Speck und Salbeiblättern in ein Schweinsnetz eingerollt, die kleinen Leberpäckli anschließend auf einen Spieß gesteckt und gebraten.

Aus der „Früchtediätspeise“, ein fixer Bestandteil der Speisekarte in der Bircher-Benner-Klinik (gegründet 1897 in Zürich), wurde recht schnell das Birchermüesli. Die Mahlzeit aus Obst, gemahlenen Körnern, Nüssen und Milch begeisterte die Patienten von Dr. Bircher-Benner so sehr, dass sie sie auch zu Hause zubereiteten, den Gästen servierten und so das Birchermüesli in die ganze Welt trugen.

Tunnel sei Dank in der Innerschweiz!
Im Herzen der Schweiz liegt der Vierwaldstättersee; hier treffen sich die Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden. Der See ist Heimat für eine Vielzahl an Fischen, darunter der Zuger Rötel, ein Edelfisch aus der Familie der Saiblinge. Er wird nur von Mitte November bis Mitte Dezember gefangen und bevorzugt in Weißwein mit Kräutern gedünstet. Seinen Namen verdankt der Rötel seinem rot gefärbten Bauch.

Die Chügelipastete ist ein traditionelles Festgericht der Luzerner Zünfte: eine üppige runde Pastete, gefüllt mit Schweine- und Kalbfleisch, Bratwurstmasse und Champignons, serviert mit einer braunen Sauce.

Rosa, süß und beschwipst ist eine passende Beschreibung für die Zuger Kirschtorte. Das Buttercremebiskuit wird mit Kirschwasser getränkt und hat es solchermaßen in sich. Die australische Sängerin Nellie Melba stand Patin für das Dessert Pêche Melba (Pfirsich Melba). George Auguste Escoffier, der Koch des Grand Hotel National in Luzern, kreierte immer wieder Gerichte für berühmte Gäste.

Erst die italienischen Tunnelarbeiter des Gotthardtunnels brachten um 1875 die Pasta an den Vierwaldstättersee. Von nun an gehörten Teigwaren (in abgewandelter Form) zur Schweizer Alltagsküche. Und die Nudeln machten aus einem simplen Eintopf die Älplermagronen: geröstete Zwiebeln, gekochte Erdäpfel und Makkaroni werden in einer Pfanne mit geriebenem Käse vermengt und mit einer Sauce aus Obers und Käse übergossen. Fertig sind die Älplermagronen, wenn der Käse geschmolzen ist.

Autor: Anneliese Kainer

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2 Kommentare „Schweizer Küche“

  1. IGZ
    IGZ — 16.7.2017 um 11:38 Uhr

    Diese Aufzählung kann auf dem beschränkten Raum natürlich nicht vollständig sein. Was aber unbedingt mit dazu gehörte sind die in der gesamten deutschsprachigen Schweiz, besonders aber in der Ostschweiz sehr beliebten "Wähen". Süß - als Obstwähe - zu jeder Jahreszeit, mit saisonalen Früchten - als Dessert oder Zvieri; und pikant als Hauptgericht. Darunter die zwei beliebtesten und somit auch bekanntesten: die "Chäs-Wähe" und die "Bölle-Wähe" (Zwiebelwähe)...

  2. s´pockerl
    s´pockerl — 11.8.2014 um 21:19 Uhr

    Im Tessin gibt es sicher nicht ein „Z’vieri“ da dort italienisch gesprochen wird - das „Z’vieri“ und das "Z´nüni" gibt es in der Deutsch-Schweiz ebenso fehlen in der Aufzähling die allseits beliebten Egli-Fische die auf fast jeder Speisekarte der deutsch-Schweiz stehen und vielfältig zubereitet werden

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