Bunte Vielfalt auf den Tischen Nordafrikas

Die Küche des Maghreb

Marokko, Tunesien und Algerien blicken auf eine lange gemeinsame Geschichte zurück - und auf über viele Generationen hinweg kultivierte Kochtraditionen. Deutlich schmeckt man den Einfluss der Berber und Araber; aber auch die Franzosen, Römer, Türken, Mauren und jüdischen Siedler haben kulinarische Spuren in Nordafrika hinterlassen.

In Marokko überwiegen Speisen, die süße und pikante Aromen in sich vereinen und exotisch gewürzte Gerichte aus Syrien, die mit dem Islam Einzug in die Länderküche gehalten haben. Die vielfältige Küche speist sich aus den Gaben eines fruchtbaren Landes und den Schätzen aus Mittelmeer und Atlantik. Den Beinamen „gelbe Küche“ hat Marokko seiner Vorliebe für Kurkuma und Safran zu verdanken.

Auch die tunesische Küche weist viele Einflüsse auf, aber immer dienten die Gerichte anderer Nationen als Inspiration für eigene Kreationen und wurden nie einfach nur übernommen. Viele Völker haben über Jahrhunderte hinweg mitgebrachte Saat, aber auch Anbautechniken und Bewässerungsanlagen kultiviert. Paradeiser und Paprika erfreuen sich so großer Beliebtheit in der tunesischen Küche, dass sie ihr den Namen „rote Küche“ eingebracht haben.

Nur ein sehr kleiner Teil des algerischen Bodens lässt sich als Ackerfläche nutzen und die Länderküche ist somit etwas einfacher als die der anderen nordafrikanischen Küchen. Geprägt wurde die algerische Küche von den Eintopfgerichten der Andalusier und die vielen Dattelbäume liefern die Zutat sowohl für Hauptgerichte als auch für Süßspeisen.

Bequem speist man im Maghreb auf weichen Kissen sitzend. Traditionell werden die aufgetischten Schalen nie völlig leer gegessen, denn das würde bedeuten, dass die Köchin zu wenig zubereitet hat. Und so freuen sich Hausangestellte, Kinder oder auch Bettler später über die Reste. Bei besonders festlichen Anlässen kann der Gast schon anhand der Anzahl der Tischtücher erahnen, dass ein reichhaltiges Mahl auf ihn wartet: Auf den Tischen werden so viele Tischtücher aufgelegt wie Gänge serviert werden. Mit jedem verspeisten Gang wird auch ein Tischtuch abgetragen.

Bunte Eintöpfe aus der Tajine

Tajine werden sowohl die vielfältigen maghrebinischen Eintopfgerichte genannt als auch das Tongefäß, in denen diese zubereitet werden. Ein Tajine-Gefäß setzt sich zusammen aus einer Schale, in der die geschnittenen Zutaten übereinandergeschichtet werden, und einem hohen, konisch zusammenlaufenden Deckel, der mit einer Mulde abschließt, die beim Kochen mit kaltem Wasser befüllt wird. Dadurch wird der Deckel während des Dämpfvorgangs gekühlt und die Hitze im Inneren der Tajine bleibt konstant. Dieser Kreislauf ermöglicht ein besonders schonendes Garen der Zutaten.

Ausgezeichnet in Marokko sind die süß-pikanten Tajine-Kombinationen wie Lamm mit Zwetschken (barrogog bis basela), Lamm mit Datteln und Marillen (Sikbadj) oder Rindfleisch mit Quitten (Safardjaliyya). Auch Fisch findet Verwendung für die köstlichen Eintöpfe, z. B. als Tajine bel hout, Fisch mit Paradeisern, Safran, Ingwer, rotem Paprika, Birnen, Honig und Oliven. Der marokkanischen Tajine verleiht Safran seinen typischen Geschmack und die gelbe Farbe.

In Tunesien versteht man unter einer Tajine etwas gänzlich anderes, nämlich einen Eiauflauf.
Eintopfgerichte sind auch in Tunesien sehr beliebt, allerdings heißen sie hier Marqa. Eine Marqat Laft etwa wird aus Hammelfleisch, Hühnerfleisch, Kichererbsen und Rettich zubereitet. Die tunesischen Eintöpfe sind schärfer gewürzt als die marokkanischen und weniger süß.

Ein Bett aus goldenen Körnern
Couscous ist kulinarischer Mittelpunkt der maghrebinischen Küche und kommt als Hauptgericht, als Beilage, als Bett für Speisen, süß und pikant, mit verschiedensten Kräutern und Gewürzen auf den Tisch. Die goldenen Körner aus Hartweizenmehl waren schon vor der Eroberung durch die Araber Grundnahrungsmittel im Maghreb. Mancherorts verwendet man noch den traditionellen Dampfkochtopf aus Lehm für die Zubereitung, meist wird Couscous aber in einer Couscousière aus Metall gedämpft: Im Topf kocht die Suppe, das Couscous gart im darüberliegenden Siebeinsatz.
Couscous darf auf keinen Fall in Wasser gekocht werden, nur durch das Dämpfen über Suppe oder Wasser wird er weich und körnig.

Besonders beliebt in Tunesien sind Marga, Lamm- oder Hühnerfleisch und Kichererbsen, gewürzt mit Harissa auf einem goldenen Couscous-Bett, und Schuusch Ward, Couscous mit Hammelfleisch, gewürzt mit Zimt und getrockneten Rosenblüten.

Als Nachtisch wird Mesfuf serviert, süßer Couscous, mit Früchten, Nüssen und Milch verfeinert. Während in Tunesien Couscous üblicherweise mit Kürbis orange gefärbt wird, verwendet man in Algerien Safran für eine intensive Gelbfärbung.

Feurig wie die Liebe
Maghrebinische Köchinnen würden vor einem herkömmlichen europäischen Gewürzregal vermutlich verzweifeln, denn mit so wenigen Gewürzen kann man doch nicht kochen! Würzen bedeutet im Maghreb nicht nur, den Speisen Schärfe zu verleihen, sondern virtuos mit einer Vielzahl von Gewürzen den Geschmack der Zutaten zu unterstützen.

Ras el Hanout, eine Gewürzmischung marokkanischen Ursprungs, wird aus bis zu 35 verschiedenen Gewürzen gemischt, die bittere, scharfe und süße Aromen in sich vereint. Jede Köchin setzt dabei ihre eigenen Akzente. Zimt, Kurkuma, Ingwer, Piment, Kardamom, Galgant, Chilischoten, Macisblüte, Koriander, Rosenknospen und vieles mehr wird im Mörser für ein Ras el Hanout fein zermahlen.

Besonders feurig geht es in den Küchen Tunesiens zu, und in einem Sprichwort heißt es, dass sich die Liebe einer Frau an der Schärfe ihrer Speisen erkennen lässt. So ist auch die scharfe Gewürzpaste Harissa, die in der ganzen nordafrikanischen Küche verwendet wird, tunesischen Ursprungs. Das tunesische Original hat den größten Chilianteil und ist somit die feurigste unter den heißen nordafrikanischen Pasten. Ingredienzien sind Olivenöl (unverzichtbar in tunesischen Speisen), roter Pfeffer, Paprika, Chilischoten, Knoblauch und Gewürze, die jede Köchin nach Familientradition beigibt. Im Gegensatz zu Marokko werden in Tunesien vor allem getrocknete Kräuter zum Würzen verwendet.

In Algerien werden Gewürze etwas sparsamer in der Küche verwendet als in Marokko und Tunesien - auch die Schärfe wird zurückhaltender eingesetzt. Wie auch in Tunesien würzt man in der algerischen Küche großzügig mit Fenchel.

Taubenpastilla und Hammelfleisch
Lamm, Hammel oder Rind ergänzen den Speiseplan vor allem an Festtagen. Mechoui, Lamm oder Hammel am Spieß, wird im Maghreb als Festtagsgericht zubereitet. Gebraten wird das Fleisch im Ganzen über Holzkohle oder im Lehmofen, die zerkleinerten Stücke werden am Tisch in Kumin getaucht. Dieses Festessen kündigt das Ende des Ramadans an.

Merguez, dünne, pikant gewürzte Bratwürste aus Hammel- oder Rindfleisch, werden für verschiedenste maghrebinische Gerichte verwendet wie etwa ein tunesisches Oudscha: Merguez-Würste werden in Scheiben geschnitten, mit Paprika und Harissa unter eine Eierspeise gerührt und ergeben eine schnelle, sättigende Mahlzeit.

Von den Andalusiern hat die marokkanische Küche ihre Vorliebe für pikant-süße Gerichte wie die Tauben-Pastilla übernommen. Etwa 40 hauchdünne Teigschichten werden übereinandergelegt, mit Taubenfleisch und Mandeln gefüllt, mit Koriander, Zimt, Safran, Pfeffer und Ingwer gewürzt und schließlich mit einer dicken Schicht Staubzucker bestreut serviert. Die schmackhaften Blätterteigpasteten werden darüber hinaus mit anderen, süßen und pikanten, Füllungen zubereitet.

Süß und pikant harmonieren auch in der Matisha mesla, Hühnchen in einer Sauce aus Paradeisern, Ingwer, Honig und Zimt gekocht. Für ein algerisches L`Ham Lahlou werden Hammelfleisch, Dörrzwetschken in einer Sauce aus Zimt, Orangenblüten und Zucker gedünstet.

Seidige Suppen und rauchige Vorspeisen

Bohnen und Kichererbsen sind die Basis für die im ganzen Maghreb beliebten Suppen.
Die bekannteste, die marokkanische Hariira aus Hülsenfrüchten und Lamm, erhält ihr besonderes Aroma durch eine Würzung mit Safran, Zimt, Pfeffer, Koriander und den zarten Blättern des Stangenselleries. Diese dicke und seidig weiche Suppe (Seide = Hariir) wird vor allem während des Ramadans zum Fastenbrechen gegessen.

Ähnlich in Zutaten und Zubereitung sind die tunesische Schorba (Schorba = Suppe) und die algerische Schorba Mqatfa. Die Beigabe von Weizenschrot (Frik) am Ende der Zubereitungszeit macht die algerische Schorba Frik sämig. An ungemütlichen und regnerischen Wintertagen wärmt in Tunesien ein Lablabi: Die preiswerte Suppe aus Kichererbsen, Olivenöl, Zitronensaft und Kumin wird mit einem rohen Ei verfeinert.

Das ganze Jahr über, aber vor allem zum Fastenbrechen, lässt man sich Brik à l’œuf schmecken: Teigtaschen werden mit einem rohen Ei, Thunfisch, Kapern, Fleisch oder Fisch gefüllt und goldbraun herausgebacken. Die Wurzeln für diese beliebte Vorspeise finden sich im türkischen Börek.

In Tunesien werden für einen herzhaften Salata Meschwiiya gegrillte Paradeiser und Paprika zu einem Mus verarbeitet, mit Knoblauch und Zitronensaft gewürzt und mit Kapern, Oliven, Eiern und Thunfisch angerichtet. Dieses Mus wird als Vorspeise, Beilage oder auch als Hauptgericht serviert und überrascht durch einen interessant rauchigen Geschmack.

Auch bei Salaten lieben es Tunesier pikant: Gedünstete Chilischoten sorgen in der Mechouia für das Feuer, gedünstete Paradeiser, Paprika, Zwiebel, Thunfisch und Eier für den Geschmack, unterstützt durch in Salz eingelegte Kapern, Zitronensaft und Kümmel.

Kochen im Wüstensand
Um eine Taguella zu probieren, muss man touristische Trampelpfade verlassen, denn dieses Gericht der Tuareg wird in der Wüste zubereitet. Wenn das offene Feuer einigermaßen heruntergebrannt ist, drückt man eine flache Grube in den Sand und legt den Brotteig hinein. Der Teig wird mit heißem Sand zugedeckt und mit Holzkohle belegt. Inzwischen werden Fleischstücke mit Zwiebeln und Paradeisern angeröstet, mit Wasser aufgegossen und gedünstet. Das fertige Brot, die namensgebende Taguella, wird gewaschen, vom Sand befreit und zusammen mit dem Fleisch gegessen.

Rosenwasser und Gazellenhörner
Die Süße des Zuckers steht im Maghreb für Freundschaft und Gesundheit - und den Süßspeisen nach zu urteilen, steht es mit Freundeskreis und Gesundheit der Maghrebiner zum Allerbesten.

Maqruud, das mit Datteln oder Mandelmus gefüllte Früchtebrot trägt die Prägung der jeweiligen Konditorei. So wissen die Schlemmer, wem sie die süße Wonne zu verdanken haben. Dörrobst ist auch Bestandteil von Amida, einem Pudding mit Pinienkernen, Nüssen und getrockneten Früchten.

Ein Muss in Marokko sind Cornes des gazelles, kleine, mit Mandeln und Honig gefüllte Hörnchen, die mit Orangenblütenwasser bestrichen werden.

Für ein leichtes Dessert werden hauchdünne Orangenscheiben mit Zimt bestreut, mit Honig gesüßt, mit Orangen- oder Rosenblütenwasser veredelt und eiskalt serviert. Das aus der Damaszenerrose gewonnene, verdünnte Öl dient als Aroma für viele Süßspeisen.

Minztee - ein Glücksfall
Minztee wird im Maghreb den ganzen Tag über getrunken. Während das Kochen zuhause seit jeher eine weibliche Domäne ist, obliegt das Zubereiten des Minztees den Männern. Frische Minzeblätter und einige Löffeln grüner Tee werden mit Zuckerhutstückchen in Wasser aufgekocht. Der Tee wird anschließend so lange von der Kanne ins Glas und wieder zurück geleert, bis eine leichte Schaumkrone den Tee im Glas ziert.

Den Grünen Tee steuerten die Briten zum maghrebinischen Nationalgetränk im 19. Jh. bei: Als durch den Krimkrieg der Handel mit Osteuropa über die Ostsee blockiert war, brachten ihn die Engländer nach Marokko. Grün - die Farbe des Propheten Mohammed und der Fruchtbarkeit - bringt Glück. Ein Grund mehr, den erfrischenden Tee zu genießen.

Geschäftiges Wunderland
Für den Besuch eines maghrebinischen Suqs (Markt) ist jede Tages- und Nachtzeit recht, denn Öffnungszeiten gibt es nicht. Musiker und Tänzer wetteifern um die Aufmerksamkeit der Besucher, Verkäufer preisen wundersame Heilmittel gegen alle nur erdenklichen Wehwehchen an. Auf Papier und Jute liegen frische Gemüse und Früchte nebeneinander und werden sorgfältig von den einkaufenden Frauen geprüft.

Auf tunesischen Märkten findet man auch Pilze und Hartkäse, eher eine Ausnahme im arabischen Raum. Eine Vielfalt an Nüssen liegt in Holzschalen, Gewürzbündel hängen an Fäden, die Auswahl an Süßigkeiten ist überwältigend. Nahezu jeder Schritt wird von einem neuen Geruch begleitet.

Am späten Nachmittag beginnt Dampf von den vielen mobilen Garküchen aufzusteigen; geröstete Kichererbsen und mit Kumin und Salz gewürzte Schnecken werden aus Bottichen angeboten. Brochettes, Kebabs mit marinierter Leber oder Lammfleisch stillen den Hunger zumindest so lange, bis die im Suq erstandenen Schätze nach Hause transportiert sind.

Autor: Anneliese Kainer

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2 Kommentare „Die Küche des Maghreb “

  1. Huma
    Huma — 3.10.2022 um 08:05 Uhr

    Kenne die marokkanische Küche vom Urlaub her und sie schmeckt mir sehr gut.

  2. Renate Mayer
    Renate Mayer — 22.8.2014 um 12:41 Uhr

    Die Kühe in Marokko ist sensationell! Schmeckt herrlich

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